Das schwere Los des Sandwichkindes?

Berlin/Alfter – Sanfte Vermittler oder ständig auf der Suche nach Aufmerksamkeit? Sandwichkinder bekommen sehr unterschiedliche Eigenschaften zugeschrieben. Inwiefern die Geschwisterposition Charakter oder Intelligenz tatsächlich beeinflusst, interessiert die Forschung immer wieder.

«Die neueren Resultate sprechen eher dafür, dass die Geburtenreihenfolge einen relativ kleinen oder auch überhaupt keinen Effekt auf die Persönlichkeit der Kinder hat», sagt Prof. Ralph Hertwig vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin.

Auswirkungen schwer nachzuweisen

Auf der anderen Seite habe eine Studie gezeigt, «dass es Ungleichgewichte gibt, was die Verteilung der elterlichen Ressourcen wie Zeit oder Geld angeht». Sprich: Unterm Strich investieren die Eltern in der Regel weniger in das Sandwichkind. Das ist keine bewusste Entscheidung der Eltern, sondern ergibt sich ganz automatisch: «Die Sandwichkinder genießen nie anhaltend die exklusive Aufmerksamkeit der Eltern.» Das Erstgeborene habe eine solche Phase während der ersten Entwicklungsstufe, das Letztgeborene gegen Ende, wenn die Geschwister schon aus dem Haus sind.

Wie sich das auswirkt, ist schwer nachzuweisen. «Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass die Bindung gegenüber der Familie, besonders im Erwachsenenalter, bei Sandwichkindern weniger stark ist», sagt Hertwig. Man finde auch Hinweise, dass Sandwichkinder ein geringeres Selbstwertgefühl haben.

Sandwichkinder besonders gefordert

Wolfgang Krüger, Psychotherapeut in Berlin, ist sich sicher, dass das Dazwischen-Dasein die Persönlichkeit formt. Sandwichkinder sind auf der Bühne des Familienlebens besonders gefordert, ihre Rolle zu finden, glaubt der Buchautor: «Sie lernen häufig, zu beobachten und auf andere einzugehen.» Das macht sie zu guten Vermittlern.

Dem steht die Schwäche gegenüber, nicht als «Chef» bestimmen oder mal auf den Putz hauen zu können. «Sandwichkinder sind die, die zuerst gar nichts sagen und dann mit einer brillanten Bemerkung Aufmerksamkeit erregen. Sie schaffen es aber nicht, permanent im Vordergrund zu stehen», sagt der Psychotherapeut. Für sie sei es daher besonders wichtig, von den Eltern wahrgenommen zu werden.

Gleichzeitig Lerner und Lehrer

Nicola Schmidt, Autorin des Buches «Geschwister als Team», sieht die Mittelposition im Grunde als eine gesunde an. «Ich habe einen Großen, von dem ich etwas lerne, und einen Kleinen, dem ich etwas beibringe. Potenziell sind diese Kinder unglaublich gute Lerner, weil sie gleichzeitig Lerner und Lehrer sind.»

Pauschalisieren kann man das alles allerdings nicht, im Geschwistergefüge spielen viele Faktoren eine Rolle. «Sandwich ist vor allem dann problematisch, wenn ich nicht wahrgenommen werde», sagt Krüger.

Die Bedürfnisse der Kinder ernst nehmen

Eltern sollten daher mit jedem einzelnen Kind besondere Zeiten verbringen, das gilt nicht zuletzt für das Mittelkind, rät Nicola Schmidt. Wichtig sei dabei, die Bedürfnisse der Kinder ernst zu nehmen. Bei mittleren Kindern sei es sinnvoll, ihnen eher mehr zu geben als sie brauchen. Bevor sie anfangen, sich das mit problematischem Verhalten selbst zu holen. Grundsätzlich gilt: So wenig man ein Sandwichkind in die Rolle des unauffälligen Mitläuferkinds drücken dürfe, so wenig sollte man die Mittelposition als schwierig hervorheben.

Fotocredits: Kösel Verlag
(dpa/tmn)

(dpa)

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