Roboter-Kollegen sollen in der Pflege helfen

Garmisch-Partenkirchen – Er deckt das Bett auf, reicht zu trinken: Edan heißt der Roboter-Butler mit der helfenden Hand, der künftig Pflegebedürftigen zur Seite stehen könnte.

Während Edan nur aus einem Arm an einem Rollstuhl besteht, sieht sein Kollege Justin mit breitem Brustkorb, zwei Armen und runden Kamera-Augen recht menschlich aus.

Die beiden Avatare, entwickelt am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Oberpfaffenhofen, sollen noch vor Jahresende testweise im Caritas-Altenheim St. Vinzenz in Garmisch-Partenkirchen einziehen und das Pflegepersonal entlasten. Roboter, für die Raumfahrt entwickelt, sollen auch auf der Erde Nutzen bringen.

Am Montagabend (7. Mai) wurden die beiden Avatare im Kongresshaus in Garmisch präsentiert, wobei Justin zugeschaltet war. Am Dienstagnachmittag sollte das Haus für das Publikum geöffnet werden. Wie Senioren und pflegebedürftige Menschen darauf reagieren, wenn ihnen plötzlich Justin die Medikamente bringt, soll der Test im Heim St. Vinzenz im Rahmen des
Projekts Smile zeigen.

Knapp drei Millionen Menschen sind auf ambulante oder stationäre Pflege angewiesen – und es werden immer mehr. Die Zahl könnte bis 2030 auf etwa 3,6 Millionen steigen. Schon jetzt herrscht Pflegekräftemangel. «Die Pflege braucht neue Impulse», sagt Georg Falterbaum, Caritasdirektor in der Erzdiözese München und Freising.

In Garmisch leben besonders viele Senioren. «Wir sind so alt wie Deutschland in 20 Jahren», sagt Bürgermeisterin Sigrid Meierhofer (SPD). Das Roboterprojekt sei «Teil meiner Zukunftsvision für Garmisch-Partenkirchen».

Justin ist auf Rädern unterwegs. Angehörige können ihn aus der Ferne lenken, und etwa mit seiner Hilfe die Pillendose aus dem Schrank holen. Auch am Montagabend wurde er von DLR-Forschern in Garmisch gesteuert, während er in Oberpfaffenhofen die Befehle ausführte. Justin soll auch erkennen, wenn der Senior stürzt – und Hilfe alarmieren. In einer Weiterentwicklung könnte er ältere Menschen bei kurzen Gängen begleiten und, wenn er etwas kräftiger gebaut wird, sogar stützen. Justin soll Menschen ermöglichen, länger zuhause zurecht zu kommen. Noch sind die Preise solcher Helfer hoch. In der günstigsten Variante würde er derzeit um die 60 000 Euro kosten.

Edan wiederum ist ein Arm an einem Rollstuhl, den behinderte Menschen über Muskelimpulse steuern. Edan kann Aufzugknöpfe drücken, die Bettdecke zurückschlagen. Oft überlegten Menschen nachts lange, dafür den Pfleger zu holen, sagt Alin Albu-Schäffer, DLR-Direktor und Professor für Robotik an der Technischen Universität München. «Das sind Dinge, an die man als gesunder Mensch gar nicht denkt – und bei denen so ein System die Unabhängigkeit der Menschen erhöht.»

Selbst trinken zum Beispiel. Die DLR-Ingenieurin Annette Hagengruber hat sich für die Vorführung mit Elektroden am Arm in den Rollstuhl gesetzt. Sie spannt die Muskeln an, Edans Hand greift und hebt langsam das Gefäß. Sichtlich nicht ganz einfach – aber mit etwas Üben hat es geklappt. «Nach einer Stunde ging es», sagt Hagengruber.

In den elektronischen Helfern steckt eine lange Entwicklung. Die Forscher haben gut zehn Jahre allein daran gearbeitet, feinfühlige Roboter zu entwickeln, die auf Berührung reagieren und zurückweichen – sonst könnten die Maschinen den Menschen gefährlich werden.

Der Freistaat hat für das Smile-Projekt sechs Millionen Euro Förderung zugesagt. «Wir wollen, dass Bayern in der wichtigen Zukunftsbranche der Roboterassistenzsysteme eine Vorreiterrolle einnimmt», sagt Wirtschaftsminister Franz Josef Pschierer (CSU).

In die Entwicklung der neuen Technik sollen in Garmisch-Partenkirchen zudem zehn Millionen Euro aus einer gemeinnützigen Gesellschaft fließen, die aus der Leifheit-Stiftung hervorgegangen ist. Das Ehepaar Leifheit wollte, dass das Geld Senioren und Pflegebedürftigen in seiner Wahlheimat zugute kommt, insgesamt rund 57 Millionen Euro.

Bald könnte in Garmisch ein weiterer Avatar an den Start gehen. Garmi heißt er; Sami Haddadin, der Gewinner des Deutschen Zukunftspreises 2017, entwickelt ihn mit. Garmi soll in Musterwohnungen unterwegs sein, die im Zuge eines Geriatronik-Zentrums entstehen sollen.

Edan, Justin und Garmi sind nicht die einzigen, die als blecherne Pflege-Kollegen bald im Einsatz sein könnten. Pepper heißt einer, Hobbit ein anderer, Care-o-bot 3 ein dritter. Er wurde in einem Stuttgarter Heim getestet. Er spricht den Bewohner, den er über eine Kamera erkennt, sogar mit Namen an: «Mögen Sie etwas trinken?»

Weltweit laufen Entwicklungen. Parlo aus Japan etwa will auch unterhalten, er singt und spielt mit Senioren. In Japan ist die Entwicklung wegen der überalterten Gesellschaft weit fortgeschritten – und die Japaner sind Technik gegenüber aufgeschlossen.

Im Altenheim St. Vinzenz haben die Wissenschaftler und Mitarbeiter der Caritas die Bewohner schon auf den baldigen Einsatz der neuen Helfer vorbereitet. Viele seien aufgeschlossen, manche skeptisch, sagt Albu-Schäffer. «Wenn die Leute verstehen, dass sie damit ihre Selbstständigkeit verlängern, ist die Offenheit sehr groß.»

Die Technik wird sich langfristig auf Ausbildung und Berufsbild von Pflegern auswirken. «Wir haben ein erstes Verständnis entwickelt, um jetzt die Erprobung durchzuführen», sagt Albu-Schäffer. «Es wird noch einige Jahre dauern, bis man die Berufsbilder Pflegetechniker oder Telepflegeassistent vollständig ausgearbeitet hat.»

Klar ist für alle: Die Roboter sollen Pfleger nicht ersetzen, sondern ihnen mehr Freiraum schaffen – für das, was menschlich unersetzlich ist: Zuwendung, Trost, einfach mal die Hand halten.

Fotocredits: Sven Hoppe
(dpa)

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