Wann muss ich mir über Pflege Gedanken machen?

Heidelberg – Es kann ganz plötzlich passieren: Jemand stürzt, muss ins Krankenhaus und kommt nicht mehr auf die Beine. Dann steht das Wort Pflegebedürftigkeit im Raum. Doch darüber, was in so einem Fall zu tun ist, haben viele vorher noch nie nachgedacht.

«Ein Großteil der älteren Menschen geht davon aus, dass sie bis zum Schluss schon irgendwie zurechtkommen werden», sagt Marion Bär vom Kompetenzzentrum Alter der Universität Heidelberg. Trotzdem lohne es sich, den Gedanken zuzulassen, dass es auch anders kommen kann. «Es geht um einen Plan B.»

Dafür sprechen zum einen die Zahlen, sagt Bär: Die Menschen werden immer älter. Gleichzeitig steigt das Risiko, pflegebedürftig zu werden, ab 80 Jahren deutlich. Zum anderen baut es Ängste ab, wenn man sich mit dem Thema einmal auseinandersetzt und Dinge bis zu Ende denkt. «Ein Beispiel: Ich begleite eine ältere Dame, die lebt noch ganz gut zu Hause und möchte auch, dass das so bleibt. Aber sie hat sich trotzdem schon mal mit mir zusammen ein Pflegeheim ausgesucht.» Das sei für die Frau eine Beruhigung, sagt Bär. «Denn sie weiß: Wenn was ist, dann komme ich nicht irgendwo hin.»

Aber wann ist der richtige Zeitpunkt, um sich über solche Sachen Gedanken zu machen? Es gibt eine Frage, die sich laut Bär unabhängig vom Alter stellt: Wenn ich mal in meiner Selbstbestimmung eingeschränkt sein sollte – wer soll dann für mich sprechen? Jemand aus der Familie, ein Freund, oder lieber jemand von außen? Einen Unfall kann jeder haben. In einer Betreuungsverfügung lässt sich für so einen Fall jemand benennen, der die eigenen Interessen vertritt.

«Hat man eine solche Person gefunden, dann sollte man miteinander reden», rät Bär. Der andere sollte ein Gefühl dafür bekommen, wie man zu bestimmten Dingen steht. Tritt ein Fall ein, den man nicht vorhergesehen hat, sollte der Bevollmächtigte eine Ahnung davon haben, wie man wohl selbst entschieden hätte.

Das Thema Pflegebedürftigkeit taucht dagegen oft auf, wenn jemand anderes betroffen ist – wie die eigenen Eltern. «Das ist ein guter Anlass, sich Gedanken zu machen: Würde ich es auch so haben wollen? Was hätte ich gern anders? Und was kann ich jetzt schon dafür tun?»

Älteren Menschen rät die Expertin, das favorisierte Pflegekonzept einmal durchzudenken und durchzurechnen. «Viele Leute sagen zu mir: Wenn es nicht mehr geht, dann hole ich mir halt eine osteuropäische Pflegekraft nach Hause. Aber wenn man sich damit beschäftigt, merkt man häufig, dass das gar nicht so einfach ist.»

Erstens bewegten sich solche Beschäftigungsverhältnisse oft am Rande der Legalität oder seien sogar rechtswidrig. Und bei auch nur halbwegs fairer Bezahlung sei ein solches Arrangement auch nicht billig. «Ich persönlich würde dann lieber in ein gutes Pflegeheim umziehen, auch wenn mich das meine Ersparnisse kostet. Dann bin ich gut versorgt und hocke nicht einsam zu Hause.»

Auch im Gespräch mit Angehörigen sei es hilfreich und entlastend, ein wenig ins Detail zu gehen. Was Bär zum Beispiel immer wieder erlebt: Jemand ist dement und wird von seinem Partner bis weit über dessen Grenzen der Belastbarkeit hinaus gepflegt. «Ich höre dann häufig: Ich will auf keinen Fall, dass mein Angehöriger in ein Pflegeheim muss.»

Bär stelle dann die Frage, ob der andere denn gewollt hätte, dass sich sein Partner komplett aufopfert? «Deswegen ist es gut, wenn man vorher mal über verschiedene Eventualitäten gesprochen hat.»

Fotocredits: Britta Pedersen
(dpa/tmn)

(dpa)

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