Heimische Pflege bringt Frauen oft in finanzielle Nöte

Berlin – Heimische Pflege wird in Deutschland überwiegend von Frauen geleistet – und viele unterbrechen dafür ihre Karriere. Wegen damit verbundener Lohnausfälle sind Betroffene laut einer neuen Studie oft von finanziellen Risiken bis ins Alter bedroht.

«Sie sind einem besonderen Armutsrisiko ausgesetzt», sagte der Präsident vom
Sozialverband Deutschland, Adolf Bauer, Jetzt in Berlin. Der Verband hatte das Gutachten in Auftrag gegeben.

Wer pflegt:

Drei Viertel der rund 3,4 Millionen pflegebedürftigen Menschen werden laut
Statistischem Bundesamt zu Hause versorgt – davon fast 1,8 Millionen allein von Angehörigen. Zwar erhöhte sich der Anteil von Männern bei der Pflege zuhause. Doch waren es zuletzt immer noch 68 Prozent Frauen (2016), nach 80 Prozent knapp 20 Jahre zuvor. In jedem vierten Fall leistet eine Tochter des Pflegebedürftigen die Hauptarbeit, in rund jedem zehnten Fall ein Sohn. Die Partnerin pflegt in 18 Prozent der Fälle, der Partner in 14 Prozent.

Pflege und Beruf:

Beides ist rein zeitlich oft schwer zu vereinbaren. Ein Indiz dafür: 35 Prozent aller Hauptpflegepersonen im Erwerbsalter sind währenddessen nicht erwerbstätig. 26 Prozent sind in Teilzeit, 10 Prozent gering und 28 Prozent voll beschäftigt. Pflege geht mit einer höheren Teilzeitquote von Frauen einher, stellte Studienautorin Katja Knauthe fest. 7 Prozent der Teilzeitbeschäftigten leisten Pflegearbeit – aber nur 3,2 Prozent der Vollzeitbeschäftigten. Die Wissenschaftlerin führte dazu unter Berufung auf eine Regierungs-Erhebung an, dass bereits eine Berufsunterbrechung von sechs Monaten statistisch einen dauerhaften Einkommensverlust von durchschnittlich 9 Prozent mit sich bringt, bei zwölf Monaten seien es 15 Prozent.

Finanzeille Risiken:

Daten darüber, wie sich Pflege tatsächlich konkret auf Altersarmut auswirkt, gibt es nicht, wie Studienautorin Knauthe einräumte. «Es gibt keine wissenschaftlichen Studien dazu.» Doch sie ist überzeugt: Erziehungs- und Pflegezeiten führen zu Einkommenseinbußen, die in der Regel kaum mehr aufzuholen seien. Auch andere Sozialverbände wie die AWO hatten auf ein erhöhtes Armutsrisiko für pflegende Angehöriger hingewiesen: Viele Betroffene reduzierten ihre Arbeitszeit, einige gäben ihren Job ganz auf – die Folge sei häufig ein Leben auf Hartz-IV-Niveau. Laut offizieller Statistik waren zuletzt 17,6 Prozent der Männer und 20,3 Prozent der Frauen von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht.

Unterstützung für Angehörige:

Bei heimischer Pflege kann Pflegegeld fließen: zwischen 315 Euro bei Pflegegrad 2 und 901 Euro pro Monat bei Pflegegrad 5. «Es mildert zwar den Einkommensausfall, kann ihn aber nicht gänzlich kompensieren», so die Studie. Aus der Pflegekasse bekommen pflegende Angehörige auf Antrag auch Rentenversicherungsbeiträge bezahlt. Die Erhebung zitiert eine Beispielrechnung der Bundesregierung, nach der Betroffene bei 2806 Euro brutto im Monat nach 15 Jahren Pflege dennoch einen Rentenverlust von mehr als 50 Euro im Monat erleiden. Für eine kurzzeitige Arbeitsverhinderung wegen Pflege gibt es zudem eine Lohnersatzleistung von 90 Prozent des Nettoentgelts. Berufstätige mit Pflegeverantwortung können ein zinsloses Darlehen aufnehmen, müssen dieses aber nach der Pflege wieder zurückzahlen.

Mögliche Verbasserungen:

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) hatte im Sommer ein Familienpflegegeld analog zum Elterngeld vorgeschlagen – eine Lohnersatzleistung für einen gewissen Zeitraum. Für die laufende Legislaturperiode sei dies aber kein Projekt, räumte sie ein. Aus der Union waren auch schnell ablehnende Reaktionen gekommen.

Fotocredits: Patrick Pleul
(dpa)

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