Was sich hinter Montessori verbirgt

Wien – Kinder sind unordentlich? Jeannine Mik sieht das anders. Schon mit anderthalb Jahren können Kleinkinder Blumen zum Beispiel selbst in der Vase arrangieren, schreibt sie in ihrem Lifestyle- und Familien-Blog «
Mini and Me».

Ihre kleine Tochter hilft ihr sogar dabei, die Spülmaschine auszuräumen. Das entspricht der Annahme der Montessori-Pädagogik, wonach Kinder ihren Eltern nah sein und ihnen nacheifern wollen.

«Das Kind als motiviertes Wesen zu sehen, das nach Selbstständigkeit strebt und aus eigenem Interesse heraus lernen möchte – das ist eine Sichtweise, die wir heute oft vergeblich suchen», erklärt Mik. Sie ist keine ausgebildete Montessori-Pädagogin, lässt sich aber von der Pädagogik inspirieren.

Doch was bedeutet Montessori genau? Die 1870 geborene italienische Ärztin und Pädagogin Maria Montessori hat eine pädagogische Philosophie und Praxis entwickelt, in deren Mittelpunkt die Selbstständigkeit des Kindes steht. «Hilf mir, meine Arbeit selbst zu tun», hat sich zu einem Leitspruch entwickelt.

Elise Opezzo-Burger hat eine von Montessori inspirierte Kindermöbelkollektion herausgebracht, die im Juli 2017 an den Start gegangen ist. Gemeinsam mit ihrem Mann, Steffen Burger, und dem Industrial Designer Olaf Schröder entwickelte sie eine Möbellinie, die im Bekanntenkreis auf viel Resonanz stieß. So entstand aus ihrer Idee das Unternehmen
Coclico. Selbstständigkeit, Bewegung, Ordnung und Ästhetik sind Montessori-Grundprinzipien, die sich in den Möbeln widerspiegeln. Ihre Möbel sind robust, aber so leicht, dass Kinder sie selbst herumtragen können. Regalfächer sind offen und auf einer Höhe, die Kinder selbst erreichen können.

Coclico ist nicht der einzige Möbelhersteller, der sich den Montessori-Ideen verschrieben haben. Schon 1929 gründete der holländische Zimmermann Albert Nienhuis, der auch mit Maria Montessori zusammenarbeitete,
Nienhuis Montessori. Das Unternehmen stellt Montessori-Lehrmaterialien und auch dazu passende Möbel her, die es international vertreibt.

Aber wer darf sich eigentlich «Montessori» nennen? Ein Label oder eine Zertifizierung gibt es nicht. Montessori ist kein geschützter Begriff, erklärt Jörg Boysen, Vorsitzender des Montessori Dachverbands Deutschland. Inzwischen arbeiteten immer mehr Einrichtungen mit Montessori-Ideen, sagt Boysen. Beispiele sind jahrgangsübergreifende Klassen oder die Abschaffung von Noten.

Passt das Montessori-Konzept überhaupt noch in die heutige digitalisierte Welt? Boysen sieht darin keinen Widerspruch. Rahmenbedingungen änderten sich, aber die Grundprinzipien seien die gleichen: «Ich glaube, dass man jedes Kind da abholen sollte, wo es steht. Die Gesellschaft ist viel heterogener geworden. Montessori passt dazu.»

Fotocredits: Ralf Jankovsky,Ralf Jankovsky,Michelle Fraikin,Jeannine Mik,Daniel Nuderscher Photography
(dpa/tmn)

(dpa)

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