Ulm – Gelage statt Gedenken – ausgerechnet am kirchlichen Feiertag Christi Himmelfahrt. «Überlegt doch mal, ob Vaterschaft den Sinn darin haben kann, sich zu betrinken», forderte Oberkirchenrat Matthias Kreplin von der Evangelischen Landeskirche Baden schon im vergangenen Jahr.
Natürlich nicht, sagen auch weltliche Experten für das «starke Geschlecht», wie der in der Region Ulm tätige Männerberater Uwe Meinhardt. Die feucht-fröhlichen Herrenpartien mit den vielen «Bierleichen» am Ende des
Feiertages (25. Mai) findet er allerdings eher belustigend als beunruhigend. «Am exzessivsten feiern oft jene Männer, die noch gar keine Kinder haben», sagt Meinhardt.
«Was dabei so auffällt, mit Bierfass und Bollerwagen – das ist doch nur eine Facette der Männerwelt von heute und nicht repräsentativ», sagt auch Andrea Bartels, Leiterin der
Familienbildungsstätte (FBS) Ulm. Dort werden – wie an ähnlichen staatlichen und kirchlichen Einrichtungen in vielen anderen deutschen Städten – Kurse und Gesprächsgruppen speziell für Männer angeboten. «Da können sich Männer jenseits von Fußballplatz oder Kneipe in einem geschützten, vertraulichen Rahmen austauschen», sagt Bartels.
Die Ulmer FBS begann damit 1989. Manche der ersten Männergruppen treffen sich heute noch. Die Nachfrage nach Angeboten für Männer sei spürbar gestiegen, erzählt FBS-Fachbereichsleiterin Heike Leppert. Besonders beliebt seien Kurse für Väter gemeinsam mit ihren Kindern – etwa «Heute koche ich mit Papa», «Muttertagsgeschenk selber basten», das gemeinsame Bauen von Murmelbahnen in der Kita oder auch ein zweitägiger Outdoor-Spaß «Auf den Spuren der Bergindianer – für Väter mit ihren Söhnen von 6 bis 11».
Die Ulmer Erfahrungen entsprechen einem bundesweiten Trend. Immer mehr Väter wollen, wie Studien belegen, über das althergebrachte Rollenbild vom Erzeuger und Ernährer hinauswachsen und sich stärker in die Betreuung und Erziehung ihres Nachwuchses einbringen. Jeder dritte Vater geht inzwischen in Elternzeit. Allerdings übernehmen selbst diese Väter die Kinderbetreuung meist für weit kürzere Zeit als Mütter. Während viele andere
Väter wohl durchaus gern eine Auszeit fürs Kind nehmen möchten, sich aber nicht trauen.
Einen Grund erlebt Männerberater
Uwe Meinhardt nahezu täglich: «Viele Männer schrecken davor zurück, weil sie sich im Job unter Druck gesetzt fühlen», sagt der 60 Jahre alte Pädagoge. Er ist einer von bislang nur wenigen freiberuflichen Beratern, die sich ausschließlich mit den Sorgen und Nöten des «starken Geschlechts» beschäftigen – in Kursen unter anderem an der Ulmer Familienbildungsstätte und in Privatsprechstunden. Dafür hängte Meinhardt 2015 seinen Job als Personalchef eines baden-württembergischen Unternehmens mit mehr als 2500 Mitarbeitern an den Nagel.
Im Spektrum der Männerprobleme, die der Berater in den vertraulichen Sprechstunden zu hören bekommt, nehme die Arbeitswelt – neben der Beziehung zu Frau und Kind, Potenzsorgen oder auch mal einem Dauerstreit mit der Schwiegermutter – sehr großen Raum ein, sagt er: «Die Wirtschaft verlangt den ganzen Mann und wer Karriere machen will, muss oft besonderes Engagement demonstrieren, da wird dann rasch der Zwölf-Stunden-Tag zur Regel», sagt Meinhardt. Freilich machten Frauen diese Erfahrung oft in noch schärferer Form.
Dass Männer nicht selten «außen hart und innen ganz weich» sind, wie Herbert Grönemeyer einst textete, erlebt der Männerberater immer wieder. «Viele haben von ihren Vätern mit auf den Weg bekommen, dass wir stark sein und für die Familie sorgen müssen. So manchem fällt es daher sehr schwer, um die Hilfe zu bitten, die er eigentlich bräuchte.» Lautstarke Männer-Partys könnten dieses Defizit natürlich kaum wett machen, meint Heike Leppert. Sie bereitet derweil an der FBS Ulm für das nächste Jahr ein Himmelfahrts-Alternativangebot für Väter vor: «Unterwegs mit Kind, Buch und Bollerwagen.»
Fotocredits: Julian Stratenschulte
(dpa)