Homo-Paar gründet Familie mit Pflegekindern

Ditzingen – Für François Dupont war es nie eine Frage. Er würde sich um die Kinder kümmern, wenn sie denn kommen. Er würde in seinem Job als Immobilienmakler pausieren – und zwar so lange das nötig ist.

Und er würde Windeln wechseln, den Haushalt schmeißen, den Kinderwagen durch Ditzingen schieben, zum Arzt und zum Kindergarten gehen. Als einer von zwei Vätern. Denn François Dupont ist seit Juni verheiratet mit Frank Dupont, einem Marketingleiter. Frank ist der Rationale, François der Emotionale – so schätzen sie sich ein.

Zehn Jahre nach ihrem Kennenlernen und auf den Tag genau fünf Jahre, nachdem sie eine sogenannte eingetragene Lebenspartnerschaft gegründet haben, gaben sie sich im Standesamt der Stadt Ditzingen bei Stuttgart das Ja-Wort. Die lange umstrittene «Ehe für Alle» machte das möglich. Eingeführt wurde sie zum 1. Oktober 2017.

Die Duponts sind nicht allein: Hunderte homosexuelle Paare haben die Ehe für Alle genutzt. Allein in der Stuttgarter Innenstadt gaben sich bis Ende August 708 Lesben und Schwule das Ja-Wort. In Mannheim schlossen im selben Zeitraum 362 Homosexuelle den Bund fürs Leben. Der Anteil der Homo-Ehen an allen Ehen liegt in den Städten den Angaben zufolge zwischen 10 und 20 Prozent. Zu den Eheschließungen zählen auch Umwandlungen eingetragener Lebenspartnerschaften in Ehen – wie bei den Duponts. In ganz Baden-Württemberg wurden nach jüngsten Zahlen des Statistischen Landesamts bis einschließlich Juni 2018 rund 2300 Homo-Ehen geschlossen.

«Natürlich ein bisschen aus Romantik», begründet Frank Dupont seine Eheschließung. «Aber jetzt ruht natürlich auch viel mehr Verantwortung auf uns.» Für den vier Jahre alten Finn und seit Kurzem auch für den gerade einmal vier Wochen alten Max. Pflegekinder – und Geschwister, die bei dem homosexuellen Paar aufwachsen werden. «Wenn Max aus dem Haus ist, bin ich in Rente. Auch sowas muss man natürlich bedenken», sagt Frank Dupont.

Die Idee, etwas Soziales zu machen, Kindern «einen Steigbügel fürs Leben hinhalten», wie Frank Dupont sagt – sei früh in ihrer Beziehung gereift, erzählen die beiden. Qualifizierungskurse für Pflegeeltern machten sie schon in ihrer früheren Heimat Dormagen (Nordrhein-Westfalen). In Ditzingen fingen sie nochmal von vorne an. «Wir waren schon was Besonderes, aber nicht das einzige schwule Pärchen.» Ohnehin sei Ditzingen sehr offen für sie. Tuschelei gebe es nicht. Im Gegenteil.

François Dupont war es, der die Sache mit der Pflege letztlich vorantrieb. Er habe seinem Partner auch einmal ein Buch über Pflegekinder in den Koffer geschmuggelt. «Ich dachte, er hat einen Knall», gesteht Frank Dupont. Als er gemerkt habe, dass es ein Herzensanliegen seines Partners gewesen sei, habe er sich aus Liebe zu ihm darauf eingelassen.

«Aber fragen Sie nicht, wie wir die letzten Nächte geschlafen haben», sagt François mit Max auf dem Arm und dem Fläschchen in der Hand. Viel mehr Sport habe er früher gemacht, erzählt Frank. «Und fragen Sie uns auch nicht, wann wir das letzte Buch gelesen haben.»

Als einen Moment «der mir mein Leben lang in Erinnerung bleiben wird», beschreibt François Dupont den Tag, an dem sie Finn bei einer Bereitschaftspflegefamilie kennenlernten. «Er hat die Arme hochgerissen, ist auf uns zugelaufen und wollte auf den Arm.» Auch Mitarbeiter des Jugendamts hätten vom schönsten Kennenlerntreffen gesprochen, das sie je erlebt hätten.

Auch Frank Dupont war zuvor aufgewühlt, räumt er ein. Schon vorab verabredeten die beiden, ihr Bauchgefühl entscheiden zu lassen. Und das habe ihnen schon auf der Heimfahrt ganz deutlich signalisiert, dass sie Finn zu sich nehmen wollten, sagt Frank Dupont. Sehr bewusst habe man sich für den Jungen entschieden. Als sie dann erfuhren, dass Finn entwicklungsverzögert ist, und gefragt wurden, ob sie ihn dann noch wollen, waren sie fast gekränkt.

Ganz schnell sei der Junge, «wie ein eigenes Kind» gewesen, sagt François Dupont. Aber er brauchte und braucht eben mehr: Logopädie, Physiotherapie, Frühförderung, etliche Besuche beim Kinderarzt. Hinzu kommen Besuche vom Jugendamt, Kontakte zu den leiblichen Eltern. 170 Termine zählten die Duponts in einem Jahr. Sie machten und machen es gerne. «So ein Kind braucht uns ja noch viel mehr.»

Fotocredits: Christoph Schmidt
(dpa)

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