Miteinander reden: So gehen Paare mit Sex-Frust um

Hamburg (dpa/tmn) – Am Anfang der Beziehung konnte es einfach nicht oft genug sein. Einmal täglich miteinander zu schlafen, war schon fast zu wenig. Doch mit den Jahren lässt die Lust auf Sex nach. Ist das nur bei einem der beiden Partner der Fall, kann das zu einem schweren Konflikt führen.

Je früher Ursachenforschung betrieben wird, desto besser. «Das Kernproblem besteht darin, dass die Partner sich in ihrem Lebensalltag aus den Augen und so auch aus den Händen verlieren», sagt Christoph Joseph Ahlers. Er ist Klinischer Sexualpsychologe in Berlin und Mitglied des Vorstandes der Deutschen Gesellschaft für Sexualmedizin, Sexualtherapie und Sexualwissenschaft.

Ungesunder Stress im Beruf etwa oder die ersten Monate in einer Phase, in der ein Paar zu Eltern geworden ist, können bei einem der beiden den sexuellen Appetit gehörig vermasseln. Auch Schlafmangel, Erkrankungen der Leber oder der Schilddrüse oder altersbedingte hormonelle Veränderungen tragen mitunter dazu bei, dass der eine Partner abweisend reagiert, wenn der andere ihm Avancen macht.

Zunächst neigen viele dazu, ihre sexuellen Probleme auf rein körperliche Befindlichkeiten zurückzuführen und suchen deshalb ihren Hausarzt auf. «Dies ist als erster Schritt auch richtig, um Ursachen zu untersuchen beziehungsweise auszuschließen», erklärt Regina Hellwig. Die Gynäkologin und Psychotherapeutin ist Beraterin beim Landesverband Hamburg von pro familia. Die eigentlichen partnerschaftlichen Probleme bleiben jedoch ungelöst.

Und dann passiert es schon wieder: Der eine will, der andere blockt ab. «Ein erster Schritt kann dann sein, in einem ruhigen Moment freundlich und möglichst humorvoll nachzufragen», sagt Kirsten von Sydow. Sie hat eine Professur für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Psychologischen Hochschule Berlin (PHB). Beim Reden stellt sich dann vielleicht heraus, dass es auch die Anspannung im Job ist, die wie ein Liebeskiller wirkt. Helfen kann dann ein Nachdenken darüber, wie die Aufgaben im Beruf anders angegangen werden können. Vielleicht ist es aber auch das Neugeborene im Schlafzimmer, wegen dem ein Partner sich aus Rücksichtnahme nicht auf Geschlechtsverkehr einlassen will. Dann kann die Lösung sein, dass das Baby ins Kinderzimmer ausquartiert wird.

Viele Paare unterhalten sich zwar – über die Nachbarn, über die Altersvorsorge oder über die Lage im Nahen Osten. Es kommt aber darauf an, miteinander übereinander zu sprechen, wie Ahlers sagt: «Die sexuellen Wünsche und Bedürfnisse, aber auch Ängste und Befürchtungen des anderen und die eigenen Belange kommen in aller Regel nicht zur Sprache.»

Andere wiederum fühlen sich schlicht überfordert. Hellwig verweist auf aktuelle Studien, denen zufolge Frauen heutzutage sehr viel stärker als noch vor ein oder zwei Generationen die Erfüllung ihrer Wünsche und Erwartungen einfordern. Es kann vorkommen, dass sich ein Partner dadurch unter Druck gesetzt fühlt und nicht zum Höhepunkt kommt. Auch hier sollten Paare offen und ohne Vorwürfe miteinander ins Gespräch kommen.

Ahlers hält nichts davon, das Liebesleben durch einen Besuch im Swinger-Club anzufeuern oder es mit ständig wechselnder Reizwäsche zu versuchen. «Das ist der Versuch, im Außen zu kompensieren, was im Inneren fehlt», sagt der Sexualpsychologe. Stattdessen sollte ein Paar, das ein sexuelles Problem hat, eine Bestandsaufnahme machen und sich fragen, was es auch in sexueller Hinsicht mit- und voneinander will.

Literatur:

Christoph Joseph Ahlers, Michael Lissek: Himmel auf Erden und Hölle im Kopf – Was Sexualität für uns bedeutet, Goldmann, 19,99 Euro, ISBN-13: 9783442313785.

Kirsten von Sydow / Andrea Seiferth: Sexualität in Paarbeziehungen, Hogrefe, 29,95 Euro, ISBN-13: 9783801716448.

Fotocredits: Bodo Marks

(dpa)

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