Namenberaterin schildert kuriosen Alltag in einem Buch

Leipzig – Juschin, Flauschi oder Keks – Gabriele Rodriguez kennt alle schrägen Ideen, auf die Eltern bei der Suche nach einem Vornamen für ihr Kind kommen. Rodriguez (56) arbeitet seit 23 Jahren in der Namenberatungsstelle der Universität Leipzig.

Sie erstellt Gutachten über die Herkunft und die Eignung von Namen und erklärt Eltern, warum Kaulquappe als Vorname für die Tochter halt nicht geht. Jetzt hat Rodriquez ein Buch über ihre Erfahrungen geschrieben: «Namen machen Leute – Wie Vornamen unser Leben beeinflussen».

Auf 248 Seiten erzählt sie darin aus dem Alltag einer Namenkundlerin. Sie schildert Historisches, etwa dass Familiennamen sich erst im 12. Jahrhundert etablierten. Oder sie widmet sich dem «Kevinismus», dem Verfall des höchst beliebten Modenamens hin zu einem Stigma in nur 20 Jahren. Rodriguez berichtet dazu, dass Namen schon immer durch die Gesellschaftsschichten «durchgereicht» wurden. Allerdings habe sich das in der vernetzten Welt beschleunigt und verschärft.

Die
Namenberaterin schildert die geschichtlichen Hintergründe genauso unterhaltsam wie die Anekdoten aus der bunten Welt der Namengebung. Der lockere Ton sei beabsichtigt, sagt Rodriguez. «Namenberatung ist angewandte Wissenschaft. Es ist für die Leute – und genauso ist das Buch gedacht.»

Die Idee für ein Buch sei 2014 entstanden, zum 20. Jubiläum der Wiedergründung der Namenberatung der Uni Leipzig. «Wir haben schon immer gedacht: So viel Wissen, so viele Informationen – das müsste man mal zusammenbringen», sagt Rodriguez. «Allerdings habe ich zwar schon sehr viele wissenschaftliche Artikel geschrieben, aber ein Buch noch nie.» So dauerte es drei Jahre von der Idee bis zum Buch.

Rund 3000 Anfragen zu Vornamen bekämen die Namenberater pro Jahr, berichtet Rodriguez. Die Palette reiche von Eltern wie Kerstin und Ron, die sich als Summe ihrer beiden Vornamen Keron für ihren Sohn ausgedacht haben, bis hin zu Anrufen von Müttern, die sich besorgt fragen, ob dem Namen Henry wohl eine ähnliche Karriere wie Kevin bevorsteht. Rund 1000 Kurzgutachten zu Vornamen fertigen die Leipziger pro Jahr, Kostenpunkt zwischen 40 und 60 Euro.

Diese Expertisen helfen Standesämtern bei der Entscheidung, ob ein Name in Deutschland zulässig ist oder nicht. Rodriguez prüft, woher ein Name kommt, wühlt in einer umfangreichen Datenbank, ob er schon einmal vergeben wurde, und gibt eine Empfehlung ab. Dieser ganze Prozess sei jedoch einem ständigen Wandel unterworfen, berichtet Rodriguez. Zum Beispiel habe sie selbst 1998 den Wunschnamen Orelie noch abgelehnt, weil er nur eine Hörform – also quasi eine falsche Schreibweise – der französischen Aurélie war. «Das geht heute alles durch», sagt Rodriguez.

Grundsätzlich gilt in Deutschland freie Namenwahl. Es gibt laut Bundesfamilienministerium jedoch einige Einschränkungen. So muss ein Vorname das Geschlecht eines Kindes erkennen lassen, es darf kein Orts- oder Familienname sein, und mehr als vier bis fünf Vornamen sind unzulässig. Eltern sollten bei allem Einfallsreichtum auch das Wohl ihres Kindes nie aus den Augen verlieren. Schlussendlich entscheidet der Standesbeamte, ob ein Name eingetragen wird.

In ihrem Buch schildert Rodriguez auch, wie Stars aus Film und Musik die Wahl der Vornamen beeinflussen. «Ich selbst habe eigentlich gar keine Zeit, Fernsehen zu gucken. Aber ich weiß immer ganz genau, was läuft», sagt Rodriguez lachend. Beliebte Figuren aus Film und Fernsehen führten zu gehäuften Anfragen in der Beratungsstelle.

Rodriguez denkt auch schon über ein weiteres Buch nach. Es gebe eine ganze Reihe Trends, die eine genauere Betrachtung verdienten, sagt sie. Jedes Jahr kämen in Deutschland rund 1000 komplett neue Vornamen dazu. Zum Beispiel sei es gerade recht beliebt, einen Familiennamen als zweiten oder dritten Vornamen an das neugeborene Kind zu bringen. Aber auch da musste Rodriguez Eltern schon ausbremsen: «Birkenfeld als Vorname für eine Tochter geht leider nicht.»

Fotocredits: Hendrik Schmidt
(dpa)

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