Sonnensegel und Sicherheitsglas: Ein Strand für Babys

Butjadingen – Ben buddelt mit einem grünen Bagger im Sand. Seine kleine Schwester Lea steckt eine Schaufel in ihren gelben Eimer, zieht sie wieder raus – und geht erstmal stiften.

Flink krabbelt Lea über den Strand. Doch ihr Papa bleibt ganz entspannt im Strandkorb sitzen. Schließlich ist er ja am
Babystrand. Da kann nichts passieren.

Extrafeinen, allergiearmen Sand hat das niedersächsische Nordseebad Butjadingen dafür in diesem Sommer auf einer 250 Quadratmeter großen Fläche aufschütten lassen. Sonnensegel spenden Schatten, Scheiben aus Sicherheitsglas halten den Wind und die Babys von ungewollten Entdeckungstouren ab. Scherben, Kronkorken oder scharfkantige Muscheln müssen die Eltern im Sand nicht befürchten.

«Die Kinder können nicht raus – und ganz wichtig: die Hunde nicht rein», meint Christel Frommberger, die an diesem Vormittag mit ihrer Enkelin Dora den Babystrand besucht. Ein paar Meter weiter spielt Christian Erlei mit dem zweijährigen Ben und der einjährigen Lea im Sand. «Es ist super, dass es hier so windgeschützt ist», findet er. «Ben klagt sonst immer, dass er Sand in den Augen hat.»

Ein Strand nur für Babys – manche mögen das übertrieben finden. Für Eltern ist es dagegen völlig normal, dass es solche Angebote gibt. Sie können ihren Nachwuchs ja auch wahlweise zum Yoga, zur Massage, zum Musikunterricht oder zum Schwimmkurs anmelden. Cafés bieten Babycino (geschäumte Milch in Anlehnung an Cappuccino) an und Museen Führungen mit Kinderwagen. Es gibt Konzerte und sogar Theaterstücke für Babys.

«Viele Eltern sind sehr nervös, mit kleinen Kindern ins Theater zu gehen», sagt Meike Fechner vom Kinder- und Jugendtheaterzentrum in Frankfurt/Main. Sie haben Angst, die anderen Besucher zu stören. In den Stücken für Babys macht es nichts, wenn Kinder schreien, umherkrabbeln oder essen. «Familien entdecken das Theater anders – auch als einen Ort für sich in der Stadt», meint Fechner.

Familien mit Kleinkindern sind auch eine wichtige Zielgruppe für den Urlaubsort Butjadingen, weil diese nicht nur in den Ferien verreisen können, wie Tourismus-Service-Chef Robert Kowitz erläutert. «Wir wollen die Auslastung außerhalb der Ferien verbessern.» Der kostenlose Babystrand ist seinen Angaben nach einmalig in Deutschland und kommt so gut an, dass die Gemeinde schon über eine Vergrößerung nachdenkt.

Eine Investition in die Zukunft könnte das auch sein. Denn Erwachsene wiederholten oft das, was sie aus ihrer Kindheit von Zuhause kennen, sagt der Markenexperte Christoph Burmann von der Universität Bremen. «Man fährt in die gleichen Urlaubsorte wie seine Eltern. Man kauft die gleichen Marken.» Kinderfreundliche Angebote sind gut fürs Image und für die Kasse, denn Eltern mit Kindern würden im Vergleich zu kinderlosen Paaren mehr Geld ausgeben, erläutert Burmann.

Das liegt auch daran, dass viele Eltern meinen, ihren Kindern in der Freizeit etwas Besonderes bieten zu müssen. «Eltern haben große Angst, dass ihre Kinder nicht erfolgreich werden», sagt der Kinderarzt und Buchautor Herbert Renz-Polster («Kinder verstehen»). Deshalb jagt ein Programmpunkt den nächsten. «Den Eltern fällt es schwer, ihre Babys loszulassen. Sie fühlen sich unsicher und haben kein Vertrauen in die Fähigkeiten ihres Kindes.»

Um glücklich zu sein, brauchen Babys demnach keinen eigenen Strand, keinen Musikunterricht oder Sportkurs. «Kleine Kinder brauchen Eltern mit leuchtenden Augen», meint Renz-Polster. «Sie brauchen Eltern, denen es gut geht.» Wobei die ganzen Baby-Angebote auch hilfreich sein können: Mal nur im Strandkorb zu sitzen statt ständig dem Krabbelkind hinterherlaufen zu müssen. Oder endlich mal wieder ein gutes Konzert genießen zu können – das kann Eltern glücklich machen.

Das sollen auch die
Sitzkissenkonzerte in Bremen erreichen, bei denen Babys mit ins Konzerthaus kommen dürfen. Im Fokus stehen dabei aber nicht die kleinen, sondern die großen Zuhörer. «Es gibt so viele Bildungsangebote für Babys», sagt Katrin Anders, die im Konzerthaus Glocke für die Musikvermittlung zuständig ist. «Und die Eltern bleiben oft auf der Strecke.»

Fotocredits: Mohssen Assanimoghaddam
(dpa)

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