Wenn Eltern plötzlich abgemeldet sind

München – Gestern waren Mama und Papa noch gerngesehene Zuschauer beim Fußballtraining. Aber von einem Tag auf den anderen ernten sie nur noch genervte Blicke, wenn sie zum Abholen auftauchen. Auch Maja Overbeck kennt solche Situationen.

Bei den Schulfesten ihres Sohnes war sie plötzlich abgemeldet. «In der sechsten Klasse sollte ich noch unbedingt dabei sein. Aber ab der achten war ich dann höchst unerwünscht», erzählt die Mutter eines 16-jährigen Sohnes.

Auch beim Klamottenkauf gab es immer öfter Stress. Mitkommen sollte sie schon, aber bloß nicht den Mund aufmachen! Wenn Maja Overbeck dem Verkäufer dann doch mal eine Frage stellte, musste sie sich später anhören, wie peinlich das war.

Während der Pubertät völlig normal

«In der Pubertät können Eltern machen, was sie wollen – es ist immer verkehrt», sagt der Kinder- und Jugendpsychiater Thomas Duda aus Hildesheim. Die gute Nachricht: Das ist völlig normal. Die schlechte: Mutter oder Vater können wenig dagegen tun.

Während der Pubertät, die meistens mit elf oder zwölf Jahren beginnt, lösen sich die Jugendlichen mehr und mehr von ihren Eltern. Und das ist oft für beide Seiten ein schwieriger Prozess. Die Eltern fühlen sich vor den Kopf gestoßen.

Wie beim Möbelkauf

«Man kann sich leichter von etwas trennen, das nichts mehr wert ist», sagt Duda und vergleicht die Situation zwischen Pubertierenden und ihren Eltern mit dem Möbelkauf. Wer sich zum Beispiel eine neue Küche gönnt, neigt dazu, die alte Einrichtung abzuwerten. Müssen Eltern sich also ausmustern lassen wie ein abgenutzter Einbauschrank oder die alte Spülmaschine? «Nein», sagt Duda. Die Eltern blieben auch in der Pubertät wichtig. Aber sie treten in den Hintergrund.

Die Jugendlichen orientieren sich zunehmend an Gleichaltrigen, messen sich an ihnen und suchen ihren Platz in der neuen Bezugsgruppe. «In der Pubertät spielt die Bewertung eine sehr große Rolle», sagt Duda. Das passiert zunächst über Äußerlichkeiten, wie Kleidung oder die Frisur. Der angesagte Rucksack oder die neuen Schuhe zeigen, dass man dazugehört. Das gibt Sicherheit.

In dem Maße wie die Jugendlichen auf Freunde und Klassenkameraden schauen, ändert sich auch die Rolle der Eltern. Die sollten nun Freiräume lassen, aber trotzdem ansprechbar sein.

Situation mit Abstand betrachten

Und wenn der Sohn oder die Tochter mal wieder ein «Mann, bist du peinlich!» raushaut, vielleicht sogar vor Publikum? Statt gleich dagegenzuhalten, lohnt es, die Situation mit etwas Abstand zu betrachten. Das hat auch Maja Overbeck geholfen, als es nach dem Einkaufen mal wieder Streit gab. Ihr wurde klar, wie unsicher Teenager in der Pubertät oft sind. Ihr Sohn wollte ungern allein ins Klamottengeschäft. Aber vor dem Verkäufer war es ihm dann doch peinlich, seine Mutter dabeizuhaben.

Meistens ist der Wutausbruch oder der fiese Spruch eines Teenagers gar nicht böse gemeint. «Eltern fühlen sich oft als Person abgelehnt, dabei geht es um die Funktion, die sie erfüllen», erklärt Duda. Die Schimpftiraden richten sich also gegen den übermächtigen Erwachsenen, der über Ausgehzeiten bestimmt oder den Medienkonsum kontrolliert. Wer sich das bewusst macht, kann mit manchem Angriff gelassener umgehen.

Das heißt aber nicht, dass Eltern sich von ihren pubertierenden Kindern alles gefallen lassen müssen. Auch Teenager sollten lernen, auf die Bedürfnisse anderer Rücksicht zu nehmen. Schließlich gehört das zu einem gelungenen Zusammenleben dazu. Und in manchen Situationen müssen Eltern sich sogar einmischen, egal ob das dem Jugendlichen passt oder nicht. Bei der Wahl der weiterführenden Schule oder den Ausgehzeiten am Abend beispielsweise haben sie als Erziehungsberechtigte das letzte Wort.

Ehrliches und offenes Feedback

Statt mit der Faust auf den Tisch zu hauen, sollten sie den eigenen Standpunkt erklären und auch den Jugendlichen zu Wort kommen lassen, empfiehlt Dorothea Jung. Sie leitet die Onlineberatung der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung und erinnert sich noch gut an die Pubertät ihrer eigenen Söhne. Für sie war es wichtig und bereichernd, den Kontakt zu den Teenagern nicht abreißen zu lassen. «Wenn man diese Momente abpasst, in denen die Jugendlichen anfangen von sich zu erzählen, können daraus hochinteressante Gespräche entstehen», sagt Jung.

Das erlebt auch Maja Overbeck immer wieder. Dass ihr Sohn manchmal die Augen verdreht und sie peinlich findet, gehört für sie dazu. Seine spitzen Bemerkungen kann sie im Nachhinein sogar positiv sehen, als «ehrliches und offenes Feedback». Schließlich kennen Teenager ihre Eltern so gut wie kaum ein anderer.

Literatur:

Maja Overbeck: I love Teens, Piper. 240 S., 17,00 Euro, ISBN 9783492058933.

Fotocredits: Rainer Berg,Foto-Faust.de,Piper Verlag,Ariane Overbeck
(dpa/tmn)

(dpa)

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