Berlin – Pflege geht nur im Team. Selbst wer sich als Angehöriger um die Eltern oder den Ehepartner kümmert, braucht häufig Unterstützung, in der Regel von einem Pflegedienst.
Da gibt es viel zu klären – und einiges, was vielleicht irritiert oder verunsichert. Angehörige müssen aber nicht alles einfach hinnehmen, sagt Daniela Sulmann vom
Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP).
Frau Sulmann, können Laien – Angehörige etwa – die Qualität von Pflege überhaupt beurteilen?
Wie gut Pflege ist, kann ein Angehöriger schon einschätzen. Natürlich ist es für Laien schwierig zu beurteilen, ob zum Beispiel bei der Wundpflege alles korrekt ist. Aber es gibt Anhaltspunkte für die Qualität eines Pflegedienstes.
Es gibt Dokumente wie die Pflege-Charta, in denen beschrieben ist, wie gute Pflege sein soll. Was heißt das konkret?
Gute Pflege hat viele Facetten. Nicht immer ist das, was auch pflegefachlicher Sicht gut wäre, auch aus Sicht des Pflegebedürftigen oder Angehörigen gut und gewünscht. Aber grundsätzlich gilt: Gute Pflege ist vor allem das, was der Pflegebedürftige als gut erlebt – zumindest da, wo es um eher subjektive Punkte, wie etwa einen respektvollen Umgang, geht. Wenn sich der Pflegebedürftige selbst nicht mehr äußern kann, kommt Angehörigen hier eine besonders wichtige Rolle zu, für ihn einzutreten.
Was sind gute Anhaltspunkte – wo spielt mein Empfinden als Angehöriger eine Rolle?
Bei der Zuverlässigkeit etwa: Werden Vereinbarungen eingehalten, wenn es um Uhrzeiten oder Abläufe geht? Ist im Akutfall jemand erreichbar? Wie ist der Umgang mit dem Zuhause des Pflegebedürftigen? Der sollte zum Beispiel eher zurückhaltend sein, nicht einnehmend. Gibt es eine hohe Fluktuation, sind ständig neue Leute im Haus oder eher nicht?
Spielt der Umgang mit dem Angehörigen selbst dabei auch eine Rolle?
Absolut. Intensive Kommunikation ist ganz wichtig – und zwar eher in einer beratenden Grundhaltung, nicht in einer bestimmenden. Ein gutes Zeichen ist auch immer, wenn der Pflegedienst von sich aus über die Kündigungsmöglichkeiten aufklärt. Das geht ohne Einhaltung von Fristen und ohne Begründung. Darauf hinweisen müssen die Dienste zwar nicht, aber sie sollten es. Und natürlich sollte ein Pflegedienst seine Kosten und Leistungen generell transparent darstellen – und auch klar sagen, wenn etwas nicht geht.
Das ist also kein Zeichen mangelnder Qualität?
Auf keinen Fall. Wenn ein Dienst bestimmte Leistungen nicht erbringen kann, weil ihm das Fachpersonal dafür fehlt, für die Pflege von Menschen mit Demenz zum Beispiel oder Sterbebegleitung, dann sollte er das klar sagen. Das ist dann eher ein Zeichen von Professionalität.
Und wie ist das bei objektiven Kriterien? Kann ich als Angehöriger Hygienemängel erkennen, wenn ich gar nicht vom Fach bin?
Da gibt es immer Leitlinien und Details, an denen man sich orientieren kann. Zum Beispiel bei der Hygiene, da gibt es einfach harte Fakten: die Pflicht zum regelmäßigen Desinfizieren etwa, oder das Verbot lackierter Fingernägel. Wenn sich jemand nicht daran hält, braucht man nicht lange zu diskutieren.
Und wie ist das bei komplexerer Technik, bei
Beatmungsgeräten etwa?
Da gilt im Grunde das gleiche. Wenn jemand zum Beispiel eine Öffnung an der Luftröhre versorgt, müssen Sie als Angehöriger natürlich nicht wissen, wie das genau funktioniert. Aber Sie können wissen, dass man da nie mit bloßen Händen dran darf, sondern nur mit Handschuhen.
Und wenn das jemand falsch macht, muss ich mich einmischen?
Unbedingt. Hygienemängel zum Beispiel sind keine Schönheitsfehler, sondern können große Probleme verursachen. Die Pflegebedürftigen sind sehr geschwächt, Infektionen durch Keime können lebensbedrohlich sein.
Wer ist meine Anlaufstelle für Beschwerden?
Erst einmal die Pflegekraft selbst, vielleicht lassen sich Missverständnisse direkt aufklären. Ein Beispiel: Der Pflegebedürftige ist mittags noch ungewaschen und der Angehörige meint, der Pflegedienst hätte die Arbeit nicht richtig gemacht. Es kann aber sein, dass der Pflegebedürftige das selbst so wollte. Aber wenn so ein Gespräch nichts bringt, sollte man sich im nächsten Schritt an die Leitung des Pflegedienstes wenden – und sonst auch an die Pflegekasse.
Fotocredits: Mascha Brichta
(dpa/tmn)