Zurück in die Steinzeit – Kinderspiel 2016 gekürt

Hamburg (dpa) – Als Nominierter für das
«Kinderspiel des Jahres» muss man Kinderkritik vertragen können. Die Teams der drei Spiele, die es in die Endrunde geschafft haben, schauen im Festsaal des Hamburger Hotels «Atlantic» erwartungsvoll zur Bühne – da gibt es für eines von ihnen erst mal einen Dämpfer.

Ob es cool gewesen sei, die Spiele in der Schule schon mal ausprobiert zu haben, fragt die Juryvorsitzende einen Siebenjährigen. «Ja», antwortet der, aber auch schwierig, weil etwa bei «Stone Age Junior» viele die Regeln nicht auf Anhieb verstanden hätten. Dann aber ist es genau jenes Spiel, das am Ende das Rennen macht.

«Stone Age Junior» habe vorbildlich den Reiz des gleichnamigen, 2008 erschienenen Familienspiels in ein altersgerechtes Steinzeitabenteuer für jüngste Spieler übertragen, urteilt die Jury. Ihr gehören neben der Vorsitzenden Sabine Koppelberg unter anderem Lehrer, Journalisten und Leiter von Spieleverleihen an. Vergeben wird der undotierte Preis von einem Verein, der seit 1978 das «Spiel des Jahres» (18. Juli in Berlin) kürt. Für die Kinderspiel-Wahl, die zum 16. Mal über die Bühne ging, nahmen die Juroren knapp 150 Neuerscheinungen unter die Lupe und spielten sie mit Kindern in Familien, Kindertagesstätten und Schulen. Kriterien: Spielidee, Regelgestaltung, Design und Layout.

Der 2016-er Jahrgang habe «tierisches Vergnügen» bereitet, sagt Koppelberg. «Wie auch schon im vergangenen Jahrgang haben die Hersteller auch diesmal vielfach die Lieblinge der Kinder in die Spielkartons gepackt, nämlich Tiere», sagt sie. «Und zwar in allen erdenklichen Variationen: flattrige Fledermäuse, flotte Grashüpfer, geschwätzige Löwen, feuerspeiende Drachen.» Auch bei den Mechanismen hätten Autoren und Verlage den Kindernerv getroffen. «Es gibt Geschicklichkeitsspiele, Taktikspiele, Lauf- und Würfelspiele und mal wieder sehr, sehr viele Merkspiele.» Letztere dominierten den Jahrgang. «Kein Wunder», so die Jurychefin, wenn es ums Merken gehe, habe der Nachwuchs ja meistens die Nase vorn.

Tierisch was los ist auch bei den beiden weiteren Nominierten: Beim Merkspiel «Leo muss zum Friseur» (ab 6 Jahren, Abacusspiele) will besagter Löwe Leo seine Mähne stutzen lassen, muss sich aber sputen, um rechtzeitig den Friseursalon des Affen Bobo zu erreichen. Dabei «kochen Emotionen hoch», erläutert die Jury. Beim Würfelspiel «Mmm!» (ab 5 Jahren, Pegasus Spiele) wollen Mäuse, die Vorratskammer plündern, und müssen den Käse an der Katze vorbeischmuggeln. Juryurteil: «Unbeschreiblicher Jubel oder der große Katzenjammer – beides ist möglich, wenn sich gegen Ende der knackigen Partie die Mieze der Speisekammer nähert.»

Letztlich setzt sich das Steinzeitabenteuer durch. Auf den Feldern des Spielplans von «Stone Age Junior» (ab 5 Jahren, Verlag Hans im Glück) bekommt man Rohstoffe, geht in den Tauschhandel und baut Hütten – wer als Erster drei Hütten errichtet hat, gewinnt. «Sammeln, planen, bauen. Rohstoffmanagement, der clevere Einsatz von Figuren auf Aktionsfeldern und Aufbaustrategie – das sind normalerweise gar keine Themen für Kinderspiele», sagen die Juroren. Für Hanna und Jonathan aus der Hamburger Grundschulkasse, die für den Verein Spiele bei der Verleihung präsentiert, war es der Favorit. «Spannend und riskant», nennt es Jonathan (7). «Mir hat besonders gefallen, dass man gegeneinander spielt», sagt Hanna (8).

Gut zehn Prozent betrug der Umsatzzuwachs in der Brettspielbranche 2015, wie der Deutsche Verband der Spielwarenindustrie (DVSI) jüngst mitteilte. «Die Brettspielbranche entwickelt sich trotz aller Apps und Computerspiele seit Jahren sehr gut.» Firmen wie Ravensburger, Noris und Kosmos haben nach eigenen Angaben Umsatzzuwächse im hohen einstelligen oder niedrigen zweistelligen Prozentbereich hinter sich. Als Grund machten die Firmenchefs eine Rückbesinnung der Verbraucher auf das gesellige Beisammensein aus.

«Das Angebot an Spielen für Kinder ist riesig, es wächst, ist für Familien kaum zu überblicken», sagt Jurychefin Koppelberg. «Wir möchten Eltern und Pädagogen bei der Vielzahl der Neuerscheinungen eine unabhängige Orientierung bieten», sagt sie. Was ihr besonders am Herzen liegt: «Die Eltern sollen ran.» Familien sollten gemeinsam spielen. «Was dem Computerspiel die Konkurrenz machen kann, ist wirklich das Gemeinsame, die Emotionen des Gegenübers zu sehen – also dass Papi verliert und man mit Mami zusammen auf dem Siegesweg ist.»

Fotocredits: Daniel Reinhardt

(dpa)

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