Neue EU-Regeln im Zahlungsverkehr: Was sie bedeuten

Frankfurt/Main – Einige historische Marken gibt es bereits im Zahlungsverkehr: Die ersten Kreditkarten Ende der Fünfzigerjahre, das Aufkommen von EC-Karten in den Achtzigern und digitale Überweisungen ab der Jahrtausendwende. Nun könnte ein neues Regelwerk der EU die Bezahlart von Grund auf ändern.

Mit der «PSD2»-Richtlinie will Brüssel den Wettbewerb im europäischen Zahlungsverkehr fördern – und ihn sicherer, bequemer und billiger machen. Anfang 2018 soll sie in Deutschland in nationales Recht umgesetzt werden, das Bundeskabinett hat jüngst grünes Licht gegeben. Die «Payment Service Directive» bricht das lukrative Monopol der Banken beim Zugriff auf Kontodaten. Wer weiß, wie viel Geld Privatkunden haben und für was sie es ausgeben, kann ihnen leicht weitere Dienste anbieten – Baufinanzierungen etwa, Kredite, Versicherungen oder Wertpapiere.

Künftig aber müssen Geldhäuser nach dem Willen der EU auch Drittanbietern wie Finanz-Start-ups («Fintechs») den Zugriff auf Konten und Daten ihrer Kunden ermöglichen. «Es ist eine der strategisch wichtigsten Veränderungen im Bankwesen der letzten Jahre», sagt Sebastian Steger, Partner bei der Unternehmensberatung Roland Berger. «Das Verhältnis von Bank und Kunden wird neu definiert.» Über eine Milliarde Konten in der EU seien betroffen.

Yassin Hankir, Gründer des Start-ups Savedroid, könnte ein Profiteur sein. Er hat eine App fürs Smartphone entwickelt, die Kunden beim Sparen hilft. Anhand der regelmäßigen Einnahmen und Ausgaben auf dem Girokonto analysiert sie, ob Bankkunden Geld übrig haben – und legt je nach finanzieller Lage automatisch Beträge auf die Seite. Mit PSD2 könnte die Anwendung Auftrieb bekommen, da sie so leichter Kundendaten auswerten kann. «Sie würde uns helfen, Zugang zu Konten zu erhalten», sagt Hankir. «Wir hoffen auf eine schnelle Umsetzung.»

Auch ähnliche Apps könnten sich mit der neuen Richtlinie leichter verbreiten – etwa solche, mit denen Kunden alle ihre Konten bei verschiedenen Banken auf einmal im Blick haben. Auch neue Zahlungsdienste dürften schneller zum Kunden vordringen.

Wenig begeistert sind daher die Geldhäuser. Es sei «unverständlich», dass Drittdienste einen gesetzlich definierten Zugang zur Infrastruktur der Banken hätten, der umgekehrt nicht gelte, monierte Andreas Krautscheid vom Bundesverband deutscher Banken. Berater Steger glaubt, dass PSD2 die Banken viel Geld kosten wird, wenn sie passiv reagieren. «Die etablierten Geldhäuser könnten im Privatkundengeschäft bis zu 40 Prozent ihres Gewinns verlieren.»

Verbraucher müssen indes nicht fürchten, dass Firmen künftig unkontrolliert auf ihre Daten zugreifen. «Bankkunden müssen ihnen explizit die Erlaubnis für eine Weitergabe erteilen», sagt Ulrich Binnebößel, Experte für Zahlungsverkehr beim Handelsverband HDE. Zudem dürften Institute nur für den angefragten Zweck Daten herausgeben. Stimmen Verbraucher zu, geschieht der Zugriff über Schnittstellen bei der Hausbank. «Die hohen Sicherheitsstandards bleiben erhalten», so der Bankenverband Deutsche Kreditwirtschaft.

Für mehr Sicherheit sollen zudem strengere Regeln etwa bei Kartenzahlungen im Netz sorgen. So müssen Kunden nach PSD2 neben den Kartendaten wie der Kontonummer ein zweites Merkmal wie eine TAN oder einen Fingerabdruck eingeben. Der Handel ist aber skeptisch. «Zahlungen im Internet werden erschwert, der zusätzliche Verbraucherschutz ist fraglich», sagt Binnebößel.

Finanziell jedoch dürfte der Handel profitieren. Müssen Verkäufer bei Zahlungen per Kreditkarte relativ hohe Gebühren an die Kartenfirmen leisten, könnten neue Zahlungsdienste für mehr Wettbewerb sorgen – und Kosten senken. Für Verbraucher, die beim Online-Einkauf ohnehin die Wahl etwa zwischen Lastschrift, Rechnung oder Kreditkarte haben, liegt der Vorteil hingegen in digitalen Angeboten von Drittanbietern.

Doch wollen deutsche Verbraucher solche überhaupt? Sie gelten als konservativ und schätzen oft Bargeld. Das täusche, so Berater Steger. Über 60 Prozent der Bankkunden hierzulande erledigten ihre Geschäfte online. Mobil per Smartphone oder Tablet zahlten erst sieben Prozent. Doch 60 Prozent der Kunden hätten grundsätzlich Interesse, solange es sichere und attraktive Wege gebe. «Selbst bei den über 60-jährigen sind es mehr als 40 Prozent», sagt Steger. Vielleicht brauche es noch etwas Zeit. «Aber der Markt ist reif und die Technik da.»

Handelsexperte Binnebößel indes ist skeptisch. Der Nutzwert von PSD2 sei für Verbraucher noch schwer zu fassen. Doch immerhin erleichtere sie Alternativen zur Bank. «Der Kunde hat dann die Wahl.»

Fotocredits: Ole Spata
(dpa)

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