Welche Zukunft haben Versicherungsvertreter?

Frankfurt/Main – Herr Kaiser von der Hamburg-Mannheimer berät seine Kunden schon lange nicht mehr. Die bekannte Werbefigur ging in Rente, als der Versicherungskonzern Ergo die Marke 2009 einstellte. Heute lassen sich Policen im Internet abschließen. Hat also der Versicherungsvertreter ausgedient?

Tatsächlich sinkt die Zahl der selbstständigen Vermittler seit Jahren. 2010 gab es nach Angaben des Branchenverbandes
GDV 263 500 Vertreter, sechs Jahre später waren es jüngsten Daten zufolge nur noch 228 300.

Immer mehr Verträge werden im Netz abgeschlossen. Das gilt vor allem für vergleichsweise einfache Produkte wie Schaden- und Unfallversicherungen. Spitzenreiter ist laut aktuellen GDV-Daten dabei die Kfz-Versicherung: Ein knappes Fünftel (18,5 Prozent) des Neugeschäfts kam hier gemessen an der Beitragssumme 2016 aus dem Direktvertrieb einschließlich Vergleichsportalen. Ein Jahr zuvor waren es noch 17,9 Prozent (2014: 16,3 Prozent). In der Lebens- oder Krankenversicherung entfallen dagegen nach wie vor über 90 Prozent des Neugeschäfts auf Vermittler einschließlich Banken und Sparkassen.

«Kunden müssen sich darauf einstellen, dass sie online keine oder nur begrenzt Beratung bekommen», sagt Lars Gatschke vom Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv). «Grundsätzlich ist das etwas für Selbstentscheider.» Auf keinen Fall sollten Verbraucher nach einer Schnellsuche im Internet gleich die erstbeste Versicherung wählen, ohne vorher Produkte und Preise gründlich zu vergleichen.

Der Bund der Versicherten rät ebenfalls zu umfassender Information. «Ob das am PC ausreichend gelingt, ist fraglich», meint eine BdV-Sprecherin. Das gelte insbesondere für Personenversicherungen wie Berufsunfähigkeits- oder Risikolebensversicherungen. «Diese Produkte brauchen Zeit.»

Markus Kruse vom Analyse- und Beratungshaus Assekurata Solutions rechnet damit, «dass das einfachere Geschäft eher über das Internet abgewickelt werden wird, auch aus Kostengründen. Aber auch der Verkauf komplexerer Produkte wird den Weg ins Netz finden.» Dennoch werde der Versicherungsvermittler weiterhin seinen Stellenwert haben. «Der Mensch ist bei schwierigen Entscheidungen besser in der Lage, Bedenken auszuräumen und Vertrauen zu schaffen.»

Assekuranzen brauchen aus Kruses Sicht neben dem eigenen Online-Angebot und Service-Centern auch künftig den klassischen Versicherungsvertreter. Deren Zahl wird nach seiner Einschätzung allerdings weiter sinken – «auch weil es zunehmend schwierig wird, qualifizierten Nachwuchs zu finden».

Das Berufsbild habe sich gewandelt, das Interesse an der Tätigkeit sei gesunken. «Versicherungs-Vertrieb war in den letzten Jahren nicht gerade eine Boom-Branche.»

Viele Kunden wollen aber auch weiterhin persönliche Beratung vor allem bei komplexen Themen wie Lebensversicherungen oder Altersvorsorge – zu diesem Ergebnis kommt eine
Forsa-Umfrage im Auftrag der Gothaer Versicherung. Nur jeder Zehnte möchte hier seine Police per Mausklick kaufen.

Deutlich größer ist das Interesse an Online-Abschlüssen bei Sach- sowie Krankenzusatz-Versicherungen mit jeweils etwa einem Viertel. Unter dem Strich bevorzugen allerdings die meisten der im vergangenen Herbst gut 1000 Befragten in allen drei Bereichen persönliche Abschlüsse mit einem Versicherungsvertreter oder Makler.

Dass der Online-Vertrieb Grenzen hat, zeigt eine Untersuchung des Beratungsunternehmens
Oliver Wyman und von Policen Direkt. 2016 war es das Boom-Segment bei sogenannten Insurtechs in Deutschland. Fast zwei Drittel der jungen Versicherungsfirmen hatten hier ihren Schwerpunkt. Im vergangenen Jahr waren den Angaben zufolge noch 40 Prozent der Start-ups in dem Bereich aktiv. «War die Insurtech-Szene 2016 noch stark vertrieblich geprägt, begann 2017 ein Umdenken», so das Fazit.

Patric Fedlmeier, Vorstandschef der Provinzial Rheinland, sieht es so: «Wir haben Kunden, die einen Vermittler haben. Und trotzdem wollen sie auch nachts mit einem Kundenportal arbeiten, die wollen anrufen können, und die möchten auch Facebook und WhatsApp nutzen», sagte der Manager in einem Interview. «Früher ging der Prada-Kunde auf die Kö, und der Aldi-Kunde ging eben zum Aldi. Heute gehen Kunden morgens zum Aldi und mittags auf die Kö zu Prada.»

Fotocredits: Arno Burgi
(dpa)

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