Warum tun sich die Deutschen so schwer mit der Organspende?

Frankfurt – «Organspenden können Leben retten. Jeder kann durch einen Unfall oder eine schwere Krankheit schon morgen in die Lage kommen, auf ein Spenderorgan angewiesen zu sein.» So wirbt Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) bei den Bürgern, einen Organspendeausweis auszufüllen.

Denn viele tun sich schwer mit der Vorstellung, dass Ärzte schon in der Phase des Übergangs vom Leben in den Tod ihre Organe für andere schwer kranke Menschen haben wollen.

Was ist Voraussetzung für eine Organspende?

Nach dem Transplantationsgesetz muss bei einem Menschen zwingend der Hirntod eingetreten sein, um Organe entnehmen zu können. Laut Bundesärztekammer ist Hirntod definiert «als Zustand der irreversibel erloschenen Gesamtfunktion des Groß- und Kleinhirns und des Hirnstamms».

Eine Altersgrenze gibt es für den Spender nicht. Entscheidend ist der Zustand der Organe. Der Spender darf aber keine akute Krebserkrankung haben und nicht HIV-positiv sein.

Wie sicher ist die Feststellung des Hirntodes?

Nach den 2012 aufgedeckten Transplantationsskandalen wurden die Regeln weiter verschärft. Nun müssen zwei erfahrene Ärzte unabhängig von einander und nach einem genau vorgegebenen Verfahren (Hirntoddiagnostik) den Hirntod feststellen. Einer der beiden Ärzte muss Facharzt für Neurologie oder Neurochirurgie sein, sich also mit Nerven, Gehirn und Rückenmark auskennen. Beide dürfen selbst kein Interesse an der Transplantation haben. So sollen Fehldiagnosen in diesem so sensiblen Bereich des Übergangs vom Leben in den Tod möglichst vermieden und wirtschaftliche Interessen ausgeschlossen werden.

Welche Bedingungen muss der Organempfänger erfüllen?

Der Patient muss auf der Warteliste eines Transplantationszentrums stehen. Bei ihm kommt es vor allem auf Erfolgsaussicht und Dringlichkeit der Verpflanzung an.

Wer vermittelt welche Organe?

Für die Vermittlung von Organen ist seit 1969 die Stiftung Eurotransplant mit Sitz im niederländischen Leiden zuständig. Sie kooperiert heute mit mehr als 70 Transplantationszentren in Belgien, Deutschland, den Niederlanden, Luxemburg, Österreich, Slowenien, Kroatien und Ungarn. Die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) mit Sitz in Frankfurt ist die Koordinierungsstelle in Deutschland. Künftig soll ein Transplantationsregisters in Deutschland noch mehr Transparenz schaffen.

Am häufigsten entnommen werden Nieren, gefolgt von Leber, Lunge, Herz, Bauchspeicheldrüse und Dünndarm.

Was geschah bei den Transplantationsskandalen?

In aller Regel manipulierten Ärzte – in Göttingen, München, Regensburg, Leipzig, Berlin, Bremen oder Köln – die Krankenakten ihrer Patienten, um diese in der Liste der Wartenden weiter nach vorne zu bringen. In keinem Fall konnte eine persönliche Bereicherung der verwickelten Ärzte festgestellt werden. Auch gab es keine Anhaltspunkte, dass privatversicherte Patienten bevorzugt wurden. Seither werden die Transplantationszentren in Deutschland jedenfalls schärfer kontrolliert.

Wie haben sich die Spenderzahlen entwickelt?

Den mehr als 10 000 schwerkranken Menschen in Deutschland, die auf ein Spenderorgan hoffen, standen 2015 laut DSO 877 Organspenden gegenüber, etwas mehr als 2014 mit 864 Spenden. Vor dem Skandal lag die Zahl höher, aber immer noch weit entfernt von der Zahl benötigter Organe: 2010 waren es 1296 Organspenden, 2011 lagen sie bei 1200, 2012 bei 1046.

Warum kann man nicht alle Versicherten zu potenziellen Organspendern machen?

Dies wäre dann die sogenannte Widerspruchslösung, bei der der Versicherte als Organspender gilt, wenn er dem nicht ausdrücklich widerspricht. Die Ärzteschaft hätte gerne eine solche Regelung, wie sie in etlichen europäischen Staaten schon gilt. Doch in Deutschland gilt sie als kaum durchsetzbar. Gesundheitsminister Gröhe unterstrich denn auch, dass die Organspende «immer eine eigene, freiwillige, informierte und vor allem eine bewusst getroffene Entscheidung» sein sollte. Der Bundestag habe einmütig für die sogenannte Entscheidungslösung gestimmt.

Wer entscheidet, wenn ich keinen Organspendeausweis habe?

Wenn es keine entsprechende schriftliche oder mündliche Erklärung gibt, werden die nächsten Angehörigen befragt. Die sollen dann «nach dem mutmaßlichen Willen des Verstorbenen» entscheiden.

Wie bekomme ich einen Spenderausweis?

Unter anderem unter www.organspende-info.de oder über das Infotelefon Organspende unter der gebührenfreien Telefonnummer 0800/90 40 400.

Fotocredits: Jan-Peter Kasper
(dpa)

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