Neun Mal Gemüse: So greifen Kinder bei Möhren und Co. zu

Bonn – Fast alle Kinder sind erst einmal Gemüsemuffel. Wenn der Nachwuchs selber essen kann, beginnt in vielen Familien am Esstisch ein Machtkampf. Auf dem Kinderteller bleiben Bohnen, Kohlrabi und Co. unberührt. Viele Eltern sorgen sich, der Nachwuchs könnte zu wenig Vitamine aufnehmen.

Fakt ist: Das
Essverhalten wird in der Kindheit geprägt, und Gemüse gehört zu einer gesunden Ernährung dazu. Richtig ist aber auch: Mit Zwang erreichen Eltern gar nichts. Neun Tipps, die bei Kindern die Lust auf
Gemüse wecken:

1. NUR KEINEN STRESS: Essen soll vor allem Spaß machen. «Das Kind muss sich gerne zu den Mahlzeiten hinsetzen», sagt Ute Alexy vom Institut für Ernährungs- und Lebensmittelwissenschaften der Universität Bonn. Stress hat am Esstisch nichts zu suchen. Wichtig seien regelmäßige gemeinsame Mahlzeiten in einer entspannten, freundlichen Atmosphäre. «Auf diese Weise wird das Essen mit etwas Positivem verknüpft», sagt Alexy. Druck, Zwang und Ermahnungen dagegen seien kontraproduktiv.

2. GELASSEN BLEIBEN: Eltern veranstalten besser kein Trara ums Gemüse. «Bleiben Sie entspannt und machen Sie kein riesen Thema draus, sonst wird es irgendwann zum Spiel», rät die Food-Journalistin und Buchautorin Inga Pfannebecker. «Kinder finden es umso toller, wenn jedes Mal viel Aufmerksamkeit erregt wird, weil sie etwas nicht essen.» Manche Eltern reden auf ihre Kinder ein, versprechen einen Nachtisch oder stellen Alternativen auf den Tisch. «Je mehr man sich darauf einlässt, desto schlimmer wird es», sagt die Ökotrophologin.

3. PROBIEREN JA, ZWINGEN NEIN: Dass Kleinkinder phasenweise sehr einseitig essen, ist normal, heißt es beim Verbraucherinformationsdienst aid. Sie müssten in manche Geschmacksrichtungen erst hineinwachsen. Eine wichtige Regel lautet daher, dass das Kind am Esstisch alles probieren muss, wenn auch nur in ganz kleiner Menge. «Wenn es nicht schmeckt, muss das Kind nicht weiteressen. Aber beim nächsten Mal wieder probieren, damit sich langsam der Geschmackssinn erweitert», sagt Pfannebecker. Kinder bräuchten manchmal bis zu 15 Anläufe, um etwas Neues zu akzeptieren. «Geben Sie also nicht zu früh auf und bieten Sie das Gemüse immer wieder an», rät sie.

4. DIE FORM MACHT’S: Als Fingerfood, gerieben, gekocht, gebraten oder püriert – Gemüse lässt sich auf viele Arten zubereiten. Möglich, dass dem Kind die Möhre gekocht nicht schmeckt, als roher Stick aber schon. «Obst und Gemüserohkost sollten Kindern klein geschnitten gegeben werden, dann essen sie deutlich mehr davon», rät Alexy. Pfannebecker sagt: «Kindern macht das Dippen Spaß.» Sie nennt Kräuterquark, Humus oder fein geriebenen Parmesan als Beispiele für Dips, die man mit rohen Gurken, Tomaten oder Möhren reichen kann. Aber Vorsicht: Kleine Kinder können sich an harter Rohkost verschlucken.

5. FLAVOR-FLAVOR-LEARNING: Eine gute Methode, Kinder an neues Gemüse heranzuführen, ist das Auftischen mit Altbewährtem. «Neue und ungewohnte Sorten sollten mit bekannten und beliebten Lebensmitteln kombiniert werden», rät Alexy. Zur Not könne ein kleiner Klecks Ketchup drauf. Pfannebecker sagt: «Es sollte grundsätzlich immer etwas dabei sein, was das Kind mag.»

6. FANTASIE EINSETZEN: «Machen Sie sich die Tricks der Werbung zu eigen», empfiehlt die Buchautorin. So könnten Eltern «Prinzessinnenerbsen» servieren, oder «Zaubermöhren» statt schnöder Karotten. Spielerisch wird Gemüse spannend: die Gurke mit Plätzchenformen ausstechen oder den Salat zur Abwechslung am Spieß reichen. «Ändern Sie einfach mal die Präsentation», rät Pfannebecker.

7. MITMACHEN LASSEN: «Kinder sollten den Speiseplan mitgestalten dürfen, ohne ihn komplett zu bestimmen», sagt Alexy. Mitmachen weckt das Interesse. Das kann durch den Anbau von Tomaten auf dem Balkon oder im Garten geschehen. Oder beim Einkaufen, wie Pfannebecker erklärt: «Fragen Sie Ihr Kind, was seine Lieblingsfarbe ist, und lassen Sie es im Supermarkt dazu passendes Gemüse aussuchen.» Darf das Kind anschließend noch beim Kochen helfen, bekommt es einen Bezug zu dem, was später auf dem Teller landet – die Freude am Essen wächst.

8. UNTERJUBELN: Das Gemüse stets zu ‚verstecken‘, ist kein Allheilmittel. «Aber um den Gemüseanteil im Essen zu erhöhen, ist das schon gut, so kriegt man einiges unter», sagt Pfannebecker. Klassisches Beispiel: Tomatensoße. Überhaupt eignen sich Soßen gut, um Gemüse püriert unterzumischen – so merkt der Nachwuchs nicht einmal, dass er Gemüse isst. Von vielen Kindern akzeptiert werden auch Suppen. Pfannebecker nennt noch weitere Tricks, etwa kleine Pancakes, die durch Erbsen zu «Froschpfannekuchen» werden. Im Gulasch könne man Möhren mitkochen. Geraspelte Zucchini verschwinden in selbst gemachten Hackbällchen.

9. VORBILD SEIN: All das hilft aber kaum, wenn Eltern und ältere Geschwister nicht mit gutem Beispiel vorangehen. «Eltern sind wichtige Rollenmodelle für ihre Kinder», sagt Alexy. Pfannebecker ergänzt: «Betonen Sie nicht dauernd, wie gesund Gemüse ist. Das ist Kindern zu abstrakt.» Besser sei es, zu vermitteln, dass Gemüse einfach dazugehört: «Ist der Verzehr von Gemüse für die Familie selbstverständlich, wird er es für das Kind auch sein.»

Fotocredits: Klaus Dietrich
(dpa/tmn)

(dpa)

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