Oldenburg (dpa/tmn) – Im Laufe einer Ehe können sich Vermögenswerte ansammeln – etwa Immobilien, Bankguthaben, Kapitallebensversicherungen, Kraftfahrzeug, Schmuck oder der Betrieb des Partners.
So lange das Paar glücklich verheiratet ist, gilt: «Es besteht entgegen einer verbreiteten Vorstellung kein allgemeiner Anspruch auf gleichberechtigte Teilhabe am Erwerb des anderen Ehegatten», erklärt Heinrich Schürmann, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Oldenburg.
Das bedeutet: Den Zugewinnausgleich können Ehepartner untereinander regeln. «Nur wenn es Streit über die Höhe des Ausgleichsanspruchs gibt, kommt es zum gerichtlichen Verfahren», erklärt Schürmann, der auch Sprecher des Deutschen Familiengerichtstags in Brühl ist.
Im Fall einer Scheidung kommt der Zugewinnausgleich dann zum Zuge, wenn Eheleute im gesetzlichen Güterstand gelebt haben. «Das ist in 95 von 100 Scheidungen der Fall», sagt Jochem Schausten, Fachanwalt für Familienrecht in Krefeld. Neben der Zugewinngemeinschaft gibt es noch zwei Konstellationen: Erstens die Gütertrennung, bei der jeder der Ehepartner Eigentümer seines Vermögens bleibt. Zweitens die Gütergemeinschaft, bei der das Vermögen beider Ehegatten zum gemeinschaftlichen Vermögen wird, erklärt Schürmann.
Das bedeutet: «Die Zugewinngemeinschaft ist entgegen ihrer irreführenden Bezeichnung keine Form der Gütergemeinschaft», betont Schürrmann. Denn als Zugewinn bezeichnet man den Unterschied zwischen dem Vermögen bei der Heirat und bei der Scheidung, erläutert Theo Pischke von der Stiftung Warentest. Dieser Zugewinn wird für jeden Partner einzeln ermittelt und dann gegeneinander gerechnet.
Schürmann nennt ein Beispiel: Der Ehemann hat ein Anfangsvermögen von 10 000 Euro und ein Endvermögen von 30 000 Euro, sein Zugewinn beträgt 20 000 Euro. Die Ehefrau hat kein Anfangsvermögen und ein Endvermögen von 10 000 Euro, ihr Zugewinn liegt bei 10 000 Euro. Die Differenz zwischen den Zugewinn der beiden Partner beträgt 10 000 Euro – also 20 000 Euro des Ehemanns minus 10 000 Euro der Ehefrau. Davon muss der Mann die Hälfte ausgleichen. Die Frau erhält von ihm also 5000 Euro.
«Für die Bewertung kommt es allein auf die Vermögensbilanz zum jeweiligen Stichtag an», sagt Schürmann. Spätere Veränderungen beim Vermögen wie fallende oder steigende Aktienkurse sind unerheblich. Denn: «Das Endvermögen ist das Vermögen, das am Tag der Zustellung des Scheidungsantrags des einen an den anderen Ehepartner vorhanden ist», sagt Schausten. Doch vor dem eigentlichen Papierkram kommt die Trennung. Dabei ist wichtig zu wissen: «Auch ein nach der Trennung erzielter Lottogewinn fällt in den Zugewinnausgleich», betont Schürmann unter Verweis auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs (Az.: XII ZB277/12).
In der Regel fließen bei der Berechnung sämtliche Vermögenswerte ein. Das bedeutet: «Hat einer der Eheleute ein kostspieliges Hobby und ist zum Beispiel im Besitz einer wertvollen Golf-Ausrüstung, dann wird diese beim Zugewinnausgleich berücksichtigt», erklärt Schausten. Nicht einbezogen werden hingegen Vermögenszuwächse, die keinen Bezug zur Ehe haben. Das sind Erbschaften und Schenkungen an einen der Ehepartner. «Sie werden zum Anfangsvermögen gerechnet», erläutert Schürmann. Kommt es indes nach dem Erwerb zu Wertsteigerungen – erwirtschaftet man also etwa Zinsgewinne durch das Erbe – gilt: Sie werden wiederum im Zugewinn berücksichtigt.
Ein Ausgleich kann nur dann erfolgen, wenn überhaupt auszugleichendes Vermögen vorhanden ist. Das ist nicht immer der Fall, wie ein Beispiel zeigt: Hat die Ehefrau ein Anfangsvermögen von minus 10 000 Euro und ein Endvermögen von 10 000 Euro, hat dies die Folge: Ihr Zugewinn beträgt in diesem Fall 20 000 Euro. Hat der Ehemann auch einen Zugewinn von 20 000 Euro, beträgt die Differenz null Euro. Der Mann muss also nichts ausgleichen. «Schulden werden vom Reinvermögen abgezogen», erklärt Schausten.
Bei der Zugewinngemeinschaft werden auch Rentenansprüche berücksichtigt. Dann kommt es zu einem Versorgungsausgleich – die in der Ehe erworbenen Ansprüche beider Eheleute werden also je zur Hälfte geteilt. «Dies gilt für die gesetzliche wie für die private Rentenversicherung sowie für die betriebliche Altersversorgung», erläutert Pischke. «Bei Ehen, die nicht länger als drei Jahre gehalten haben, entfällt der Ausgleich meist», ergänzt er. Außer einer der Partner verlangt ihn ausdrücklich.
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(dpa)