So gefährlich sind Computerspiele für Kinder

Berlin – Im Umgang mit Computerspielen legen nach Hochrechnungen rund 465.000 Kinder und Jugendliche in Deutschland ein auffälliges Verhalten bis hin zur Sucht an den Tag. Das geht aus der Studie «Geld für Games» hervor.

Für die Studie des Deutschen Zentrums für Suchtfragen (Hamburg) und der Krankenkasse DAK-Gesundheit, die nun vorgestellt wurde, wurden tausend 12- bis 17-Jährige zu ihrem Spielverhalten befragt. Die Suchtexperten sehen bei rund 12 Prozent der Teilnehmer Anzeichen riskanten und bei rund 3 Prozent Anzeichen krankhaften Spielverhaltens.

Auffälliges Spielverhalten

Es wurden Kriterien abgefragt, die ein US-Diagnosehandbuch als maßgeblich für das Krankheitsbild Computerspielsucht aufführt. Dazu zählen Interessensverlust an früheren Hobbys, ständiges Denken ans Spielen, Entzugserscheinungen, Lügen über das Ausmaß des Spielverhaltens, Kontrollverlust bezüglich der Spieldauer und Gefährdung des eigenen Werdegangs. In der Gruppe der 465.000 Kinder und Jugendlichen sehen die Forscher mehr Ausgaben für Computerspiele, häufigeres Fehlen in der Schule und mehr emotionale Probleme als bei unauffälligen Spielern.

«Wenn mehr als 450.000 Jugendliche in Deutschland Gefahr laufen, die Kontrolle über das eigene Computerspielen zu verlieren, dann läuft etwas richtig schief», erklärte Marlene Mortler (CSU), Beauftragte der Bundesregierung für Drogenfragen. Richtig ärgerlich sei, wenn Jugendliche in einigen Spielen «abgezockt» würden. Spielehersteller installierten «dubiose Mechanismen», um jungen Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen, darunter sogenannte Lootboxen. Das sind Überraschungskisten mit virtuellen Inhalten, die Spieler als Belohnung für erreichte Spielziele oder gegen Bezahlung erhalten. Mortler stuft das als Glücksspiel ein, das Jugendlichen in Deutschland nicht angeboten werden dürfte. «Da müssen die Aufsichtsbehörden einfach ran», ergänzte sie.

Branchenverband sieht weniger Risiken

Der Branchenverband Game sieht die Spiele als festen Bestandteil der Jugendkultur und geht davon aus, dass weniger als ein Prozent aller Spielenden ein ungesundes Nutzungsverhalten entwickelten. Der Verband lehne ein Verbot von Lootboxen weiter ab, sagte Geschäftsführer Felix Falk. Entscheidende Unterschiede zu Glücksspielen würden in der Debatte übersehen. So enthielten diese Boxen immer einen vorher genannten Umfang an virtuellen Gegenständen und Zusatzinhalten, lediglich die exakten Inhalte seien nicht bekannt. «So wie auch bei Panini-Sammelbildern oder Überraschungseiern», sagte Falk. Der Spieler erhalte immer einen Gegenwert in Form virtueller Inhalte. Ein Verlust des eingesetzten Geldes ist deshalb nach Meinung der Branche ausgeschlossen.

Die Ergebnisse der Studie zeigten, dass die Spieleindustrie die Aufmerksamkeit der Jugendlichen clever fessele und ihnen auch für vermeintlich kostenlose Spiele mehr und mehr Taschengeld entlocke, erklärte dagegen DAK-Vorstandschef Andreas Storm. Er forderte ein Verbot von Lootboxen. Nötig seien außerdem Warnhinweise für Spielzeiten und Ausgaben.

So erkennen Eltern eine Spiele-Sucht

Videospiele können süchtig machen – auch Kinder und Jugendliche. Für die Sucht gibt es mehrere Merkmale, erklärt die Webseite
Klicksafe.de. Dazu gehört zum Beispiel, wenn sich Kinder gedanklich nur noch mit dem Spiel beschäftigen oder es nutzen, um negative Erlebnisse wie Stress oder schlechte Noten zu verdrängen. Dazu kommen andere typische Symptome – Entzugserscheinungen, Kontrollverlust und Rückfälle etwa.

Problematisch wird es, wenn drei dieser Merkmale über einen längeren Zeitraum anhalten. Um das Verhalten ihres Kindes zu prüfen, gibt es
Checklisten und Selbsttests im Internet, zum Beispiel auf den Seiten der Ambulanz für Spielsucht der Universitätsmedizin Mainz.

Allerdings ist nicht jede exzessive Spielerunde gleich der Weg in die Sucht – sondern vielleicht auch nur Begeisterung für ein neues Spiel, erklärt die Initiative «Schau hin! Was dein Medien macht». Und wenn aus der Begeisterung wirklich Sucht wird, steckt dahinter meist mehr: Kinder suchen sich dann in der Spielwelt, was sie anderswo nicht finden, Freunde oder Anerkennung etwa.

Grundsätzlich sind gerade moderne Spiele oft so gebaut, dass sie Suchtverhalten eher fördern, weil sie zum Beispiel tägliches Spielen belohnen. Jüngere können sich von solchen Mechanismen oft schwer lösen. Damit Kinder und Jugendliche nicht in diese Fallen tappen, sollten Eltern sich für das Hobby interessieren, rät «Schau hin» – und am besten mitzocken.

Die Idee dahinter: Begleitung mit klaren zeitlichen und inhaltlichen Grenzen funktioniert besser als Verbote. Denn daran halten Kinder sich oft ohnehin nicht – und finden dann erst recht kein Maß beim Spielen.

Fotocredits: SCHAU HIN!
(dpa)

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